Die idyllische Villa im italienischen Baustil, gelegen in der Straße am Großen Wannsee 56-58, ...
Gegen das Vergessen – die Geschichtskurse der Q3 setzten sich in mehrstündigen Workshops mit der Dimension der Shoa am Beispiel der Familie Chotzen im Haus der Wannseekonferenz auseinander
Die idyllische Villa im italienischen Baustil, gelegen in der Straße am Großen Wannsee 56-58, steht als Symbol der Grausamkeit der NS-Zeit. In der letzten Woche vor den Weihnachtsferien besuchten alle Q3-Geschichtskurse das Haus der Wannsee Konferenz. Weder geografisch noch zeitlich weit entfernt von uns, ist es besonders wichtig, sich mit diesem Ort auseinanderzusetzen.
Diese Villa, die einst als repräsentatives Anwesen eines wohlhabenden Fabrikanten diente, wurde später Schauplatz einer der verhängnisvollsten Sitzungen der nationalsozialistischen Geschichte. Gleich zu Beginn unseres geführten Rundgangs über das Gelände erfuhren viele von uns zum ersten Mal, dass das Haus der Wannseekonferenz nicht der Ort des Beschlusses war, europäische Juden zu ermorden. Die Anwesenden waren nämlich faktisch gar nicht in der Lage einen solchen Beschluss zu fassen. Sie waren vielmehr hochrangige Vertreter des NS-Regimes, die den in 1942 bereits laufenden Völkermord in jener Sitzung koordinierten und absicherten.
Nach unserem kurzen Rundgang wurden wir in das Haus geführt. Es beherbergt sowohl eine Dauerausstellung über die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Shoah, der hebräische Begriff zur Beschreibung des Holocausts, als auch eine Sonderausstellung, die weitere Facetten jener Zeit beleuchtete. Antworten auf die Fragen „Wann? Wer? Und wie?“ ziehen sich durch die Räume der unteren Etage und erzählen die tragische Geschichte der Shoah.Die Ausstellung war sowohl informativ als auch fesselnd, wobei der Ort selbst jegliche Eindrücke stark verstärkte.
Ein weiterer besonders eindrucksvoller T eil unseres Besuchs war die Auseinandersetzung mit der Familie Chotzen und ihres Schicksals als jüdische Familie in Berlin. Anhand der einzelnen Biografien der Familienmitglieder erschlossen wir uns zuerst den Familienstammbaum. Teil für Teil entstand ein detailreiches Bild ihrer Lebenssituationen. Ihre individuellen Schicksale, verbildlichten auf erschreckende Weise, wie der Holocaust in unvorstellbarem Maß die Lebensrealität so vieler Menschen unwiderruflich veränderte. Das Beschäftigen mit individuellen Schicksalen, wie dies der Familie Chotzen hilft, sich der abstrakt wirkenden Dimension der Shoah, die oft durch unvorstellbare Zahlen dargestellt wird, bewusst zu werden.
In der letzten Phase unseres Seminars formten wir kleine Gruppen welche jeweils verschiedene Themen erarbeiteten, und entsprechend Dokumente aus dem Nachlass der Familie Chotzen und aus dem Archiv aufarbeiten durften. Diese Dokumente erzählten unter anderem von der Deportation nach Riga, von Theresienstadt und Auschwitz. Beim abschließenden Zusammentragen unserer Erkenntnisse formte sich ein zugleich erschreckend und bewegendes Verständnis für das Schicksal jüdischer Menschen unter der nationalsozialistischen Verfolgung.
Die Bedeutung unseres Besuchs liegt in der Aufarbeitung einer Geschichte, die niemals vergessen werden darf. Einer Zeit, die die verschiedensten Menschen auf tragischste Weise traf. Dieser Besuch hat uns vor allem die menschliche Dimension des Holocausts nähergebracht, die von Fakten und Zahlen oft überwältigt wird. Solch eine Bildungsstätte in unmittelbarer Nähe besuchen zu können ist ein Privileg, das uns lehrt, gedenken lässt, und als mahnendes Denkmal daran erinnert, was als größtes Verbrechen der Menschheit gilt.
Noemi, Q3